Behandlungslücken schließen
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Session „Aktuelles aus der Osteologie“, 16.10.2020)
In Österreich bestehen beträchtliche Versorgungslücken in der Osteologie. Laut ICUROS-Studie (Malle et al., 2019) werden nach wie vor viel zu wenige osteoporotische Patienten behandelt. So erhalten lediglich 18 Prozent der bisher therapienaiven Frauen und überhaupt nur acht Prozent der bisher therapienaiven Männer vier Monate nach einer osteoporotischen Fraktur eine spezifische Osteoporosetherapie.
Um Awareness für die Erkrankung Osteoporose zu schaffen und die Versorgungssituation zu verbessern, wurde beim Osteoporoseforum 2019 die Initiative „Call for Action“ ins Leben gerufen. Erste Schritte wurden erarbeitet, Forschungsfragen definiert und der Prozess der Datenerhebung eingeleitet. Dann hat die Pandemie, die seit Frühjahr 2020 die Schlagzeilen beherrscht, alle Pläne durchkreuzt. Chronische Erkrankungen wie Osteoporose sind aus dem Blickfeld des (politischen) Interesses verschwunden. Dabei ist zu bedenken, dass auch die Osteoporose mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist. Im Sinne eines umfassenden Gesundheitskonzepts sollte daher auch in COVID-Zeiten chronischen Erkrankungen wie Osteoporose wieder vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet und ein aktives Zugehen auf politische Entscheidungsträger forciert werden.
Rehabilitation und Sturzprophylaxe
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Session „Physikalische Sitzung“, 15.10.2020)
Patienten sollen nach einer Wirbelkörperfraktur mithilfe von Maßnahmen der physikalischen Medizin und der Physiotherapie durch Gehübungen, Gleichgewichtsübungen und leichte Therapie rasch mobilisiert werden. Mit Krafttraining darf jedoch – unabhängig davon, ob der Patient eine osteoprotektive Therapie erhält und/oder ein Mieder trägt – erst sechs Monate nach dem Frakturereignis begonnen werden. Dazu zählen auch Übungen zur Rotation, Flexion und Extension.
Um das Sturzrisiko im höheren Lebensalter zu minimieren, sind rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu setzen. Konkrete Beispiele sind die Therapie von Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine genaue Einstellung der antihypertensiven Medikation, um orthostatische Reaktionen zu vermeiden, eine laufende Anpassung der Sehhilfen und regelmäßige Gleichgewichtsübungen. Symmetrische Gehhilfen wie ein Rollator erweisen sich in der klinischen Praxis als viel stabilisierender als ein Gehstock.
Zeitfenster des Knochenabbaus nutzen
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Session „Gynäkologische Sitzung“, 15.10.2020)
In der Perimenopause fällt der Östrogenspiegel rapide ab, was entscheidend zur Erhöhung des Osteoporoserisikos der Frau beiträgt. Immerhin geht in einem Zeitfenster von nur etwa fünf Jahren bis zu einem Drittel der Knochenmasse verloren. Zielgerichtete Maßnahmen in diesem sehr engen Zeitfenster, um das Risiko für die Entstehung einer Osteoporose zu verringern, könnten daher als „Primärprophylaxe“ bezeichnet werden, so der Vorschlag eines Referenten. Folglich diene die „Sekundärprophylaxe“ der Verhinderung der osteoporotischen Fraktur bei Patienten mit diagnostizierter Osteoporose, während mittels „Tertiärprophylaxe“ das Refrakturrisiko gesenkt werden könne.
Methode der Wahl für eine solche Primärprophylaxe ist die Hormonersatztherapie, wobei transdermale Formulierungen zu bevorzugen sind, bei entsprechender Indikation in Kombination mit Progesteron. Neuere Auswertungen der WHI-Studie haben inzwischen hinlänglich bestätigt, dass eine Hormonersatztherapie als sicher gilt, sofern sie richtig durchgeführt und die Frauen engmaschig fachärztlich kontrolliert werden.
Sequenzielle und kombinierte Therapien
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Session „Aktuelles aus der Osteologie“, 16.10.2020)
Nach einer osteoanabolen Therapie muss jedenfalls eine langfristige antiresorptive Therapie verordnet werden (Sequenztherapie), um den osteoanabolen Effekt zu bewahren. Bei Hochrisikopatienten können Kombinationstherapien indiziert sein, wobei es lediglich zum Nutzen der Kombination Teriparatid mit Denosumab ausreichende wissenschaftliche Evidenz gibt. Solche komplexen Therapieregimes gehören immer in die Hand des Spezialisten.
Sekundäre Osteoporosen
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Sessions „Sekundäre Osteoporose“ und „Sekundäre Osteoporose II“, 16.10.2020 und 17.10.2020)
Die Liste der Erkrankungen, die zu sekundären Osteoporosen führen können, ist lang. Gut etabliert und bekannt in der klinischen Routineversorgung sind die Glukokortikoid-induzierte Osteoporose sowie die osteoporotischen Veränderungen am Knochen durch Diabetes mellitus. Weniger bekannte Erkrankungen, die ebenfalls zu einer sekundären Osteoporose führen können, sind etwa der Hyperparathyreoidismus, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Morbus Gaucher, Hypophysen- und Schilddrüsenerkrankungen sowie medikamenteninduzierte Osteoporosen, beispielsweise unter Therapie mit Onkologika oder bestimmten Antikoagulantien, wie in einem Vortrag ausführlich beleuchtet wurde.
So ist beispielweise von unfraktionierten Heparinen bekannt, dass sie den Osteoblasten negativ beeinflussen und durch eine erhöhte Osteoklastenaktivität die Knochenresorption steigern. Dies hat sich durch die Einführung der niedermolekularen Heparine geändert. Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon haben ebenfalls, wie schon lange bekannt, negative Auswirkungen auf den Knochen. Der zunehmende Einsatz von NOAK (nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulantien, oft auch DOAK, direkte orale Antikoagulantien, abgekürzt) zur Langzeittherapie des nicht valvulären Vorhofflimmerns hat sich bezüglich der Knochengesundheit als vorteilhaft erwiesen. Laut einer Metaanalyse aller Zulassungsstudien der NOAK im Vergleich zu VKA gibt es in Bezug auf das Risiko für Osteoporose und osteoporotische Frakturen klare Vorteile für NOAK.
In der klinischen Praxis muss daher bei jedem Verdacht auf Osteoporose eine ausführliche Anamnese durchgeführt werden, insbesondere hinsichtlich möglicher Vorerkrankungen und Komedikation.
50 Jahre Bisphosphonate
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Session „50 Jahre Bisphosphonate – Happy Birthday“, 15.10.2020)
Neben der Hormonersatztherapie waren die Bisphosphonate die ersten osteologisch wirksamen Substanzen. Bei ihrer Einführung vor 50 Jahren waren sie die ersten antiresorptiven Substanzen mit direkter Wirksamkeit am Knochen. Ein Merkmal der Bisphosphonate ist der nicht reversible Einbau in den Knochen. Bei langer Anwendung kann es zur Akkumulation der Substanz und daraus resultierenden Probleme führen, andererseits bedingt eine fünfjährige Therapie einen Frakturschutz auch noch Jahre nach Behandlungsende. Seit einigen Jahren werden mögliche vorteilhafte geroprotektive Eigenschaften der Bisphosphonate auf das Herz-Kreislauf-System, insbesondere auf die vaskuläre Kalzifizierung, untersucht.
Kiefernekrosen
(Auszüge von ausgewählten Referaten und Diskussionspunkten der Session „Osteologie und Zahnmedizin“, 15.10.2020)
Regelmäßige Mundhygiene und zahnärztliche Kontrollen sind die beste Strategie gegen Kiefernekrosen (ONJ, osteonecrosis of the jaw), die in seltenen Fällen bei jedem Menschen spontan auftreten können, vor allem nach Zahnextraktion. Begünstigend wirken eine hohe Keimbesiedelung mit nachfolgender Paradontitis. Tatsächlich ist die Inzidenz von ONJ nach antiresorptiver Behandlung sehr niedrig, wie auch Langzeitdaten aus dem FREEDOM-Extension-Kollektiv zeigen. Diese Patienten wurden bis zu zehn Jahre lang mit dem antiresorptiv wirksamen Denosumab 60mg subkutan zweimal jährlich behandelt. Antiresorptiva in onkologischer Dosierung sind naturgemäß mit einem deutlich höheren ONJ-Risiko verbunden.
Potenzielle Anwender/innen von Antiresorptiva sollten daher routinemäßig über die Notwendigkeit einer suffizienten Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen aufgeklärt werden. Zahnsanierungen sind, wenn möglich, vor Einleitung einer antiresorptiven Therapie durchzuführen. Sollte während einer antiresorptiven Osteoporosetherapie ein zahnärztlicher Eingriff notwendig sein, ist ein interdisziplinäres Vorgehen zu wählen. In der Regel sollte die Osteoporosetherapie nicht unterbrochen und Betroffene gegebenenfalls antibiotisch abgeschirmt werden.
Posterpreise
Die ÖGKM vergibt alljährlich Forschungspreise, um junge Kolleginnen und Kollegen für die wissenschaftliche Osteologie zu motivieren, aber auch um innovative Arbeiten und Initiativen etablierter Forschungsgruppen anzuerkennen. Beim Osteoporoseforum 2020 wurden von Tagungspräsidentin Univ.-Prof. Dr. Astrid-Fahrleitner-Pammer folgende Preise verliehen: