Die geriatrische Patientin in der Osteoporoseambulanz

Die geriatrische Patientin in der Osteoporoseambulanz

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Autor: DDr. Robert Wakolbinger-Habel

Institut für physikalische Medizin und Rehabilitation, Klinik Donaustadt
Anamnese
Eine 78-jährige Patientin wird wegen einer rezenten niedrig-traumatischen distalen Radiusfraktur zu Ihnen überwiesen.
Körpergröße: 165cm Gewicht: 60kg
Frühere Krankheiten: art. Hypertonie, St.p. Mammakarzinom vor ca. 10 Jahren (Operation + Radiatio), chronische Niereninsuffizienz, Verdacht auf Polyneuropathie, 2 Stürze in den letzten 6 Monaten
Familienanamnese: negativ für Osteoporose
Sozialanamnese: lebt mit dem Gatten, Stock als Gehhilfe für weitere Strecken, Heimhilfe 2x pro Woche, Rufhilfe-Armband
Nikotin und Alkohol: negativ
Ernährung: ausgewogen
Aktivitäten: Gartenarbeiten, spazieren
Medikation: Lisinopril, Gabapentin, Neurobion, Oleovit 30 Tropfen/Woche
Spezifische Osteoporosemedikation: bisher keine
Labor: Blutsenkungsgeschwindigkeit, Leberfunktionsparameter, TSH im Normbereich, eGFR 51 ml/min/1,73m², in der Serumelektrophorese keine Gammopathie, Calcium 2,4 mmol/l, Phosphat 1,3 mmol/l, 25OH-Vitamin D 32 pg/ml, Parathormon 38 ng/L, alkalische Phosphatase 74 U/l
Röntgen Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: alte Deckplattenimpression BWK 11 mit ca. 20% zentraler Höhenminderung; multisegmentale Osteochondrosen, insbesondere im Bereich der LWS
Knochendichtemessung:
Lendenwirbelsäule: L1-L4 T-score -0,2 (DD Verfälschung durch degenerative Veränderungen)
Schenkelhals: links -1,4, rechts -1,2
Prozedere
Sie leiten eine multimodale Behandlung ein.
Frage 1: Welche Behandlungsoptionen zählen zur sogenannten osteologischen Basistherapie?




Auflösung
Antworten 1, 2 und 4 sind falsch.
Antwort 3 ist korrekt.
Zur Basistherapie zählen die Ernährungstherapie sowie die Bewegungstherapie. In der Ernährungstherapie liegen die Schwerpunkte beispielsweise in der adäquaten Versorgung mit Calcium und Vitamin D. Schwerpunkte der Bewegungstherapie sind z.B. Balancetraining/Sturzprophylaxe und progressives Krafttraining. Ausdauertraining (zB. Radfahren) ist zwar ergänzend auch empfehlenswert, hat jedoch einen geringeren Stellenwert. Zusätzlich sind weitere mögliche Risikofaktoren für Stürze (zB. Polyneuropathie, Sehvermögen,…) abzuklären und, soweit möglich, zu behandeln.
Eine generelle Erhöhung der Kalium- oder Phosphat-Zufuhr ist kein primäres Ziel in der Osteoporosetherapie.
Balneologische Therapien sind keine zentralen Elemente in der Behandlung der Osteoporose.
Frage 2: Welchen Frakturrisiko-Rechner können Sie verwenden, wenn Sie keine (verwertbare) Knochendichtemessung zur Verfügung haben, jedoch auch rezidivierende Stürze berücksichtigen wollen?




Auflösung
Antworten 1, 2 und 4 sind falsch.
Antwort 3 ist korrekt:
Der GFRC-Kalkulator des Garvan Institute of Medical Research berücksichtigt einerseits die Anzahl an Frakturen über 50 Jahren und andererseits die Anzahl an Stürzen in den letzten 12 Monaten. Die Angabe der Knochendichte ist möglich, jedoch nicht verpflichtend.
Das DVO Risikomodell berücksichtigt zwar multiple Stürze als Risikofaktor, Sie benötigen jedoch (außer bei niedrig-traumatischer Schenkelhalsfraktur, schwerer/multiplen Wirbelkörperfraktur/en oder Hochdosis-Cortisontherapie) eine Knochendichtemessung.
Für die Berechnung des FRAX Scores ist die Angabe der Knochendichte zwar nicht verpflichtend, der Rechner berücksichtigt jedoch Stürze nicht.
Frage 3: Welche der folgenden spezifischen Osteoporosemedikationen ist für die Patientin am besten geeignet?




Auflösung
Antworten 1, 2 und 4 sind falsch.
Antwort 3 ist korrekt:
Denosumab ist bei chronischer Niereninsuffizienz sehr gut geeignet, da es nicht renal eliminiert wird. Zusätzlich gibt es Hinweise auf eine mögliche Reduktion des Sturzrisikos. Weiters wurde durch Denosumab speziell bei Patientinnen über 75 Jahre eine signifikante Reduktion des Risikos für Hüftfrakturen um 62% vs. Placebo gezeigt.
Zoledronat ist bei dieser Patientin eine Option. Jedoch sollten Sie aufgrund der vorbekannten Niereninsuffizienz die GFR beobachten und bei einem weiteren Abfall eine Umstellung erwägen. Zoledronat ist gemäß Fachinformation bei einer Kreatinin-Clearance unter 35ml/min kontraindiziert.
Teriparatid ist bei der Patientin aufgrund der stattgehabten Radiatio, bei welcher das Skelett (Rippen) im Strahlenfeld lag, kontraindiziert.
Alendronat ist bei dieser Patientin eine Option. Jedoch sollten Sie aufgrund der vorbekannten Niereninsuffizienz die GFR beobachten und bei einem weiteren Abfall eine Umstellung erwägen. Alendronat ist gemäß Fachinformation bei einer Kreatinin-Clearance unter 35ml/min nicht empfohlen. Weiters ist auf eine korrekte und regelmäßige Einnahme laut Fachinformation (nüchtern und in ausreichendem Abstand zur Nahrungsaufnahme und in aufrechter Körperhaltung) zu achten.
Frage 4: Was sollten Sie vor der Einleitung einer spezifischen antiresorptiven Osteoporosemedikation noch abklären?




Auflösung
Antworten 1, 3 und 4 sind falsch
Antwort 2 ist korrekt:
Um das Risiko für Kieferosteonekrosen zu minimieren, sind eine zahnärztliche Kontrolle und ggf. Sanierung indiziert.
Da der Vitamin D Spiegel bereits im Normbereich liegt, ist eine weitere Aufsättigung nicht nötig.
Eine Ernährungsberatung kann sinnvoll sein, insbesondere bei Verdacht auf einseitige oder Mangelernährung. Die Patientin scheint jedoch keine offensichtlichen Mängel oder Risikofaktoren für solche zu haben. Eine Calcium-Substitution als Nahrungsergänzung vor Beginn einer antiresorptiven Therapie (insbesondere deshalb, da geriatrische PatientInnen häufig den Calcium-Bedarf über die Nahrung allein nicht decken können) könnte jedoch indiziert sein.
Da es keine sicheren Hinweise dafür gibt, dass Osteoporosemedikamente die Frakturheilung negativ beeinflussen, ist ein generelles 3-monatiges Abwarten der Frakturheilung nicht indiziert.
Literatur