Kongressupdate vom ASBMR 2020

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ASBMR 2020 Annual Meeting

Bericht der virtuellen Jahrestagung
Auch die ursprünglich für Mitte September 2020 in Seattle, USA, angesetzte Jahrestagung der American Society for Bone and Mineral Research (ASBMR) musste pandemiebedingt in den virtuellen Raum verlegt werden (www.2020virtual.asbmr.org). Trotz des reduzierten Vortragsangebots war es möglich, sich ein Bild über aktuelle osteologische Entwicklungen zu machen.
Klinische Highlights
Kompakt, informativ, richtungsweisend. Seit nunmehr 24 Jahren werden in der „Highlights-Session“ zu Beginn jeder ASBMR-Jahrestagung ausgesuchte und klinisch relevante Themen der kommenden Kongresstage präsentiert, in diesem Jahr virtuell moderiert von Prof. Dr. John Bilezikian, Columbia University, New York, USA. Aus einigen Themenbereichen sind nachfolgend einzelne Arbeiten aus dieser Session kurz zusammengefasst, mit dem Quellennachweis (Erstautor, Abstractnummer) in Klammern.
Vitamin D. In einer aktuellen italienischen Arbeit wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Spiegeln und dem Outcome einer COVID-19-Erkankung untersucht (Gennari L, Abstract Nr. 1023). Fazit: Patienten mit schwerer respiratorischer COVID-Symptomatik und erhöhter Mortalität wiesen tatsächlich im Schnitt niedrigere Vitamin-D-Spiegel, aber auch höhere Interleukin-6-Spiegel auf.
Ernährung. Eine gesunde, mediterrane Diät bei älteren Männern (Durchschnitt 81 Jahre, selbständig lebend) kann die muskuloskeletale Gesundheit stärken und das Sturzrisiko reduzieren, so das Fazit einer australischen Arbeit (Cervo MM, Abstract Nr. 1024). Ein Einfluss dieser Ernährungsweise auf die Knochenmineraldichte konnte jedoch nicht festgestellt werden.
Bewegung stärkt die Mikroarchitektur und die Dichte des Knochens, wie in einer US-amerikanischen Studie erneut bestätigt wurde (Guerriere K, Abstract Nr. 1100). Die Daten wurden mittels HRpQCT vor und nach Beginn einer intensiven Kampfausbildung beim US-Militär erhoben.
Diabetes mellitus Typ 2. Die Auswertung eines Datensatzes von mehr als 150.000 Typ-2-Diabetikern über 55 Jahre unterstreicht den Einfluss der langfristigen glykämischen Kontrolle auf das Frakturrisiko (Wang B, Abstract Nr. 1079). Pro 1% Erhöhung des HbA1c-Werts kam es in den darauffolgenden zwei Jahren zu einer zweiprozentigen Erhöhung des Frakturrisikos (p=0,03).
Knochenmineraldichte. Eine Analyse von 24 randomisierten Phase-3-Studien (134.000 Frauen, u.a. mit Bisphosphonaten, osteoanabolen Substanzen und Denosumab therapiert) ergab, dass eine spezifische Osteoporosetherapie das Risiko für vertebrale, nicht vertebrale und Hüftfrakturen unabhängig von den hüftnahen T-Score-Ausgangswerten (über oder unter -2,5 SD) deutlich senkte (Black D, Abstract Nr. 1069). Patientinnen mit niedrigeren T-Scores zu Studienbeginn profitierten besonders hinsichtlich der Reduktion von vertebralen Frakturen.
Denosumab. Die antiresorptive Therapie mit dem RANKL-Inhibitor Denosumab führte über zehn Jahre zu einer kontinuierlichen Erhöhung der Knochenmineraldichte und zu einer niedrigen Frakturinzidenz, wie die Ergebnisse der FREEDOM- und FREEDOM-Extension-Studien zeigten. Die Autoren der aktuellen Arbeit untersuchten transiliakale Biopsien aus dieser Studienpopulation (Farlay D, Abstract Nr. 1064). Sie konnten nachweisen, dass Denosumab auch die Qualität der Knochenmatrix und die Modeling-basierte Knochenbildung über einen Zeitraum von zehn Jahren unterstützte, was den antiresorptiven Wirkmechanismus der Substanz untermauert.
Treat-to-Target-Konzepte in der Osteoporose: Pro und Contra
Bei der rheumatoiden Arthritis hat sich das Treat-to-Target-Konzept (TTT) im klinischen Alltag bereits etabliert. Bei einer anderen chronischen Erkrankung, der Osteoporose, konnte ein solches Konzept bislang noch nicht in der klinischen Routine etabliert werden, wie in der ASBMR-Clinical Debate „Treat to target Approach to Management of Osteoporosis“ am 12.9.2020 verdeutlicht wurde.
Individuelles Frakturrisiko. Ein TTT-Konzept in der Osteoporosetherapie müsste laut Dr. Celia Gregson, University of Bristol, UK, jedenfalls folgende Parameter abdecken: „Einschätzung des individuellen Frakturrisikos und der Knochenmineraldichte sowie die Bereitschaft des Patienten zur Mitwirkung, Festsetzen eines persönlichen Therapieziels, periodische Kontrollen zur Überprüfung des Fortschritts und der Adhärenz, aber auch der klinischen Risikofaktoren, des Knochenstoffwechsels, der Knochenmineraldichte und des Sturzgeschehens, sowie schließlich die Möglichkeit zur Adaptierung und Modifizierung der Behandlung bei Nichterreichen des Therapieziels oder bei Intoleranz.“
Der Vorteil eines solchen TTT-Konzepts wären Gregson zufolge klar definierte Behandlungsziele und Zeitfenster zur Beurteilung des Therapieerfolgs bzw. zur Modifizierung der Behandlung. Auch sequenzielle Therapien würden wahrscheinlich eher Eingang in die klinische Routineversorgung finden, wie die Referentin betonte.
Als Kritiker des TTT-Konzepts argumentierte Prof. Dr. Michael McClung, Oregon Osteoporosis Center, USA. Er zeigte die Nachteile auf: Therapieziele wie die Reduktion des Frakturrisikos wären nicht ausreichend definiert und validiert. Am ehesten könnte die Knochenmineraldichte als Indikator – aber nicht als alleiniger– für einen Therapieerfolg herangezogen werden, da therapiebedingte Veränderungen Studien zufolge mit einer Reduktion des Frakturrisikos korrelieren. Zudem würde die Wahl der Osteoporosetherapie von (zu) vielen individuellen Faktoren abhängen, etwa von Lebensalter, Lebenserwartung und Lebensplanung der Betroffenen, vom Allgemeinzustand und von Komorbiditäten, von der Knochenmineraldichte, der Art und Dauer von Vortherapien, der Frakturanamnese und von möglichen Ursachen der (sekundären) Osteoporose, aber auch von den zeitlichen Ressourcen zur Betreuung von Osteoporosepatienten. „Schließlich muss sichergestellt werden, dass die in einem TTT-Konzept definierten Therapieziele von der Mehrzahl der Patienten erreicht werden und den klinischen Outcome tatsächlich verbessern könnten“, kommentierte McClung.
Erste TTT-Konzepte in der Osteoporose befinden sich in der Entwicklung und werden auf nationaler und kontinentaler Ebene in Konsensusgruppen diskutiert und evaluiert.
Sequenzielle Therapien in der Osteoporose
Die Behandlungsstrategien für Osteoporose basieren auf individuellen Entscheidungen, die Faktoren wie Lebensalter, Komorbiditäten, T-Score und das imminente Frakturrisiko berücksichtigen. In der ASBMR-Session „Optimizing Sequential Osteoporosis Treatment“ am 13.9.2020 erinnerte Prof. Dr. Bente Langdahl, Aarhus University Hospital, Dänemark, dass sequenzielle Schemata insbesondere für Hochrisikopatienten, bei Versagen bisheriger Behandlungsansätze und als Osteologin. Bei erneuter Verschlechterung der (klinischen) Situation könnte unter Umständen ein wiederholter Umstieg auf eine knochenaufbauende oder dual wirksame Substanz indiziert sein.
Ein Versagen des bisherigen Therapieansatzes würde vor allem unter antiresorptiver Therapie beobachtet, kommentierte Langdahl. Komme es trotz guter Compliance über zumindest zwölf Monate zu mehr als zwei klinisch relevanten Frakturen oder zu einer signifikanten Abnahme der Knochenmineraldichte, sollte von einer oralen antiresorptiven Therapie auf eine stärkere, parenterale antiresorptive Substanz wie Denosumab gewechselt werden, so Langdahl. Auch der Wechsel von einer starken antiresorptiven Therapie auf eine knochenaufbauende Substanz könnte die Prognose verbessern.
Denosumab. Eine Folgetherapie sei zudem nach Beendigung einer Denosumab-Therapie erforderlich. „Damit soll dem Reboundeffekt mit vermehrter Folgetherapien nach Beendigung von etablierten Langzeitbehandlungen indiziert seien.
Hochrisikopatienten würden einen raschen Knochenaufbau, idealerweise durch eine osteoanabole Substanz wie Teriparatid oder eine dual wirksame Substanz wie den neuen Sklerostin-Antikörper Romosozumab benötigen, gefolgt von einer antiresorptiven Erhaltungstherapie, so die dänische Osteoklastenaktivität nach Entfall der RANKL-Blockade entgegengewirkt werden, damit der durch Denosumab erzielte Zuwachs an Knochenmineraldichte möglichst lang erhalten bleibt“, begründete Professor Dr. Michelle McDonald, Garvan Institute of Medical Research, Darlinghurst, NSW, Australien.
Langdahl informierte, dass im Entwurf des neuen ECTS-Positionspapier 2020 vorgeschlagen wird, nach einer Kurzzeittherapie mit Denosumab (bis zwei Jahre) Alendronat oder eine Infusion mit Zoledronsäure sechs Monate nach der letzten Denosumab-Gabe zu verabreichen. Nach einer Langzeittherapie mit Denosumab sollte eine Infusion mit Zoledronsäure sechs Monate nach der letzten Denosumab-Gabe sowie die regelmäßige Kontrolle der Knochenstoffwechselparameter empfohlen werden, so die Dänin, und ergänzte, dass die Zolderonsäureinfusion zu wiederholen sei, wenn die Serum-CTX-Werte über die prämenopausale Schwelle ansteigen.
Ein Bericht von
Dr. med. Uli Kiesswetter, Perchtoldsdorf, Österreich